Nahost: Wie Journalismus zum Mitmachen Menschen in Palästina hilft

Doozians berichteten im Friedenshaus des forumZFD von ihrer Arbeit

Am 1. Oktober besuchten drei Nachwuchsjournalist*innen der palästinensischen Medienplattform Dooz das Friedenshaus des forumZFD in Köln. Dooz ist seit Langem Partnerorganisation des forumZFD. Als Plattform für partizipativen Journalismus (auch Bürger*innen-Journalismus) in Palästina berichten die Doozians, wie sie sich selbst nennen, unabhängig über politische, soziale, kulturelle, wirtschaftliche und kommunale Themen in den Gebieten Nablus, Tulkarem und Gaza. Die Organisation entstand 2014 aus einer Zusammenarbeit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit der Deutsche Welle Akademie. Dooz bietet zudem umfassende praxisorientierte Ausbildungsprogramme für Journalismus-Studierende an. Das Dooz Alumni Netzwerk umfasst weltweit rund 700 Journalist*innen, die sowohl regional als auch für internationale Medien von Al-Jazeera bis BBC arbeiten.
Mitglieder von Dooz vor dem Friedenshaus in Köln
© Dooz

Im Laufe seines zehnjährigen Bestehens hat Dooz in Palästina eine Ethik-Charta für Journalismus etabliert, die inzwischen von vielen anderen Medien übernommen wurde. Hier sind Grundsätze wie das Zwei-Quellen-Prinzip verankert, das journalistisch Tätige dazu anhält, Nachrichten immer aus mehreren Quellen zu überprüfen und nicht auf Kosten der Wahrheit die oder der Schnellste sein zu müssen. Die Charta legt auch klare Regeln für die Darstellung von Gewalt oder Verletzten fest, um Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen zu wahren. Alumni von Dooz nehmen die Grundsätze der Ethik-Charta mit zu neuen Arbeitgeber*innen und verbreiten sie so immer weiter.

Dooz-Gründer Abed Othman sagt: „Die Krönung unserer Zusammenarbeit mit dem forumZFD ist, dass die jungen Journalistinnen hier in Köln sind, sich mit Vertreter*innen der Medien treffen und in Schulen gehen können.“ Ohne die Unterstützung des forumZFD hätte Dooz das niemals erreicht, so Othman weiter. Dieser Austausch bedeute für die Doozians sehr viel. Im Rahmen der Kooperation half das forumZFD dabei, Studienreisen zu finanzieren oder eine Jubiläumsfeier zu organisieren. Es unterstützte Dooz außerdem beim Aufbau eines englischsprachigen Instagram-Accounts.

Im letzten Jahr reisten zwei Referent*innen des forumZFD nach Palästina und führten ein Peace Journalism Training durch. Den Begriff des Friedensjournalismus verwendet Dooz jedoch bewusst nicht, da die Menschen in der sehr angespannten Lage im Norden des Westjordanlandes das Wort „Frieden“ mit Resignation und Aufgeben assoziieren. Nablus liegt in unmittelbarer Nähe zu israelischen Siedlungsgebieten, die laufend expandieren. Israelische Siedler*innen greifen häufig, oft unter dem Schutz des israelischen Militärs, palästinensische Dörfer und landwirtschaftliche Flächen brutal an. Durch diesen Druck hat sich Nablus zu einem Zentrum des palästinensischen Widerstands entwickelt, was wiederum zu regelmäßigen Militäroperationen der israelischen Armee führt. Die Spannungen verschärfen die ohnehin schwierigen Lebensbedingungen in den weitgehend abgeriegelten Gebieten, deren Bewohner*innen nur begrenzten Zugang zu grundlegenden Gütern wie Lebensmitteln und Medikamenten haben. Nach der Zerstörung zahlreicher Häuser und Straßen im Sommer 2024 waren Wasserversorgung und Elektrizität tagelang unterbrochen. Häufig nicht passierbare Checkpoints verursachen lange Verzögerungen und behindern den Zugang zu wichtigen Diensten wie Gesundheitsversorgung und Bildung, was auch die lokale Wirtschaft belastet. In einer solchen Lebensrealität haben Menschen wenig Verständnis für Friedensappelle. „Wir nennen unsere Arbeit deshalb Lösungsjournalismus (solution journalism)“ erklärt eine der jungen Journalistinnen, und ihre Kollegin ergänzt: „Wir machen lösungsorientierten Journalismus, weil die Leute negative Nachrichten satthaben.“ Ihr Journalismus sei nicht schwarz oder weiß. Sie sprächen daher auch von – im besten Sinne - farblosem Journalismus.

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Für die jungen Journalist*innen ist Dooz eine wichtige Ergänzung zum Studium. Dieses ist in Palästina sehr theoretisch aufgebaut. Durch die Arbeit für Dooz machen sie wichtige Praxiserfahrungen, sie lernen, für verschiedene Medien zu arbeiten, können eigene Beiträge erstellen, knüpfen Kontakte und werden als Journalist*innen sichtbar. Grundsätzlich ist der Bedarf an Journalist*innen mit lokalen Kenntnissen im Nahen Osten bei internationalen Medien hoch.

Bei Dooz selbst wird jedoch weniger über die große Politik berichtet, denn das tun schon genug Andere. Dazu erklärt eine der Dooz-Journalistinnen: „Die Medien fokussieren sich meistens auf Bethlehem, Ramallah und Jerusalem – aber wir wollen auch vernachlässigte Gegenden abbilden, weil wir glauben, dass dort Veränderung wichtig ist.“ Die junge Medienplattform konzentriert sich in ihrer Berichterstattung daher auf lebensnahe Themen von Menschen in Palästina. Hier ist die Bevölkerung mit sehr konkreten Problemen grundlegender Infrastruktur wie Wasserversorgung und Müllentsorgung konfrontiert. Es gibt aber quasi keinen lokalen Journalismus, der diese Themen benennen und hierzu Druck aufbauen würde. „Wir berichten auf lokaler Ebene über lokale Probleme. Die Menschen interessiert es mehr, wann es genug Wasser gibt, um zu waschen, als die große Politik“, erklärt eine der Doozians im Friedenshaus. „Wir möchten Menschen informieren, damit sie in der Lage sind, sich eigene Gedanken zu machen und fundierte Entscheidungen zu treffen.“

Überdurchschnittlich viele Doozians sind weiblich. Abed Othman sagt: „Der Alltag in Palästina ist sehr hart und Journalist*in sein bedeutet: Ich kann darüber berichten. Ich glaube, das ist eine Sehnsucht bei allen diesen jungen Frauen. Sie wollen, dass die Welt hört, was hier passiert. Sie denken: Wenn ich Journalistin bin, dann kann ich Filme machen, dann kann ich Reportagen schreiben, dann kann die Welt hören, unter welchen Umständen wir hier leben, welche Leiden wir hier haben. Ich glaube, das ist die größte Motivation.“

V.l.n.r.: Abed Othman (Gründer von Dooz), Jalaa Abuarab (Chefredakteurin bei Dooz), Sigrun Rottmann (Journalistin und Konfliktberaterin beim forumZFD) sowie Shahed Dwayat und Rahaf Sholi (Journalistinnen bei Dooz)

Auf der Dooz-eigenen Online-Plattform „people help people“ können Menschen ihre Bedarfe posten und sich gegenseitig helfen. Dieses Angebot wird zahlreich genutzt und dankbar angenommen. Da häusliche Gewalt in Palästina stark verbreitet ist, sind derartige Unterstützungs- und Selbsthilfeangebote für viele Frauen ein existenzieller Rettungsanker. Viele Anfragen nach Wohnraum kommen beispielsweise von Frauen, die ihrem Umfeld entfliehen wollen.
Dooz ist sehr aktiv in sozialen Medien wie Facebook, Instagram, Twitter und TikTok. Dort versorgen sie die Menschen mit gesicherten Informationen und leisten so einen wichtigen Beitrag gegen die Verbreitung von Fake News.

Beim Treffen mit den Doozians wurde deutlich, auf wie vielen Ebenen der partizipative Journalismus Menschen ganz konkret unterstützen und zur Lösung von Problemen beitragen kann. Das forumZFD möchte diesen Ansatz daher weiter tatkräftig fördern und die Arbeit von Dooz als Organisation und den Doozians als engagierten Einzelpersonen weitertragen und verbreiten.