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Ein Jahr Eskalation im Nahost-Konflikt

So hat sich die Friedensarbeit in der Region verändert

Vor einem Jahr, am 7. Oktober 2023, nach Jahrzehnten der Unterdrückung, Vertreibung, Besatzung und Abriegelung, eskalierte der Nahost-Konflikt mit dem Angriff der Hamas auf Israel. Seitdem schlägt Israel zurück und es tobt ein verheerender Krieg in Gaza. Die Gewalt im gesamten Nahen Osten hat dramatisch zugenommen. Insbesondere die Zivilbevölkerung leidet - vor allem in Gaza, im Libanon und im Westjordanland. Wie kann Friedensarbeit in Zeiten wie diesen aussehen? Darüber haben wir mit unserer Kollegin Fee Schreier gesprochen, Leiterin Programme Israel & Palästina.
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© privat

Das forumZFD ist seit vielen Jahren in Israel und Palästina aktiv und hat ein Büro in Jerusalem. Wie hat sich die Arbeit seit dem 7. Oktober verändert?

Tatsächlich sind wir sogar schon seit 25 Jahren in der Region aktiv. Der 7. Oktober und der folgende Krieg sind bis heute auf jeden Fall ein schwerer Einschnitt für unsere Arbeit. Alle Menschen in der Region sind sehr betroffen. Auch unter Kolleginnen und Kollegen unserer Partnerorganisationen – sowohl in Palästina und Israel, als auch in Jordanien, Libanon und Irak – sind Menschen, die bei den terroristischen Angriffen der Hamas und dann in den folgenden Kriegen in Gaza und im Libanon Angehörige und Freund*innen verloren haben. Und das für mich immer wieder Überraschende ist, dass trotzdem alle an Friedensarbeit festhalten. Trotz enormer Einschränkungen ist erstaunlich viel möglich.

In den Nachrichten wird oft über Gaza berichtet – und im Moment sogar viel mehr über den Libanon. Wie ist die Situation im Westjordanland?

Im Westjordanland war die Situation tatsächlich schon vor dem 7. Oktober sehr angespannt. Die Menschen dort waren in den letzten Jahren bereits durch die israelische Besatzung und durch die anhaltenden Siedlungsaktivitäten enormen Einschränkungen und Herausforderungen ausgesetzt.

Aber jetzt ist es schlimmer als jemals zuvor. Extrem rechte Siedlergruppen greifen derzeit mehr Orte und Gegenden an, brutaler als jemals zuvor an. Es werden immer neue Siedlungen gebaut. Und gleichzeitig führte das israelische Militär auch noch die schwersten Operationen seit mehr als zwei Jahrzehnten durch: Bulldozer rissen Straßen auf, zerstörten Infrastruktur und ließen die Menschen tagelang ohne Wasser und Strom. Und es werden weitere solche Operationen erwartet.

Dabei sterben auch im Westjordanland fast derzeit fast täglich Menschen. Außerdem wurden unzählige Menschen ohne Gerichtsverfahren inhaftiert.

Was heißt das für die Menschen in den palästinensischen Gebieten?

Das ist eine unvorstellbare Situation. Schauen wir nur einmal auf einen alltäglichen Aspekt: Reisen von Stadt zu Stadt sind kaum noch möglich. Es gibt Ausgangssperren, geschlossene Checkpoints oder immer wieder neu auftauchende Checkpoints, sodass Menschen ihre Arbeit gar nicht mehr erreichen können. Ohne Einkommen, können Eltern ihre Kinder nicht ausreichend ernähren und unterstützen. Der Druck in den Familien nimmt zu. Und in dieser angespannten Lage steigt natürlich auch das Gewaltniveau – auf den Straßen und zu Hause. Wir sehen die Zunahme von schweren Waffen und es gibt wieder Schießereien auf israelische Zivilist*innen, z.B. aus Fahrzeugen oder in Städten. Für mich zeigt das ganz klar, wir sind an einem Wendepunkt, der jetzt jederzeit kippen kann. Ich glaube, es ist total wichtig, dass wir als Teil der internationalen Gemeinschaft jetzt etwas tun. Als eines der einflussreichsten Länder der Welt sollte Deutschland die Waffenlieferungen nach Israel endlich einstellen und sich vehement für ein Waffenstillstandsabkommen in Gaza einsetzen.

Ist Friedensarbeit in dieser Situation überhaupt noch möglich?

Friedensarbeit in so einer Situation ist definitiv herausfordernd. Aber wir haben wirklich tolle Partnerorganisationen. Die gehen genau dorthin, wo es wirklich schwierig ist. Zum Beispiel die Combatants for Peace schützen im Moment in der Nähe von Bethlehem in einem Dorf die palästinensischen Dorfbewohner:innen durch ihre Anwesenheit vor Angriffen von Siedlergruppen. Und Standing Together hat LKWs mit Hilfsgüterlieferungen nach Gaza entlang ihres Weges begleitet, sodass die von rechten Siedlergruppen nicht angegriffen werden konnten. Das finde ich sehr beeindruckend.

Auch hier in Deutschland polarisiert der Nahostkonflikt. Was kann man von hier aus für den Frieden tun? Welche Rolle spielt dabei die Zivilgesellschaft?

Moderate Stimmen werden nicht nur in Palästina und Israel, sondern auch in Deutschland zu diesem Thema kaum gehört. Für uns heißt das, dass wir deswegen regelmäßig Bildungsarbeit machen zu diesem Thema mit unseren Partnern. Wir schaffen aber auch sichere Räume für Menschen vor Ort für Austausch und Begegnung. Denn wir sind überzeugt, es braucht eine gemeinsame Vision für einen gerechten Frieden in Nahost. Und die kann nur beginnen mit einer Verständigung und Versöhnung untereinander. Ich würde mir wünschen, dass wir das Thema differenzierter betrachten können, dass sich Menschen informieren, offen und im Austausch miteinander bleiben. Aber natürlich auch, dass sie uns und unsere wichtige Arbeit vor Ort unterstützen.

Der Frieden scheint weiter entfernt denn je. Wie schaffen Sie es, nicht die Hoffnung zu verlieren?

Mir geben die Partner und Kolleginnen und Kollegen vor Ort große Hoffnung. Das Leben dort ist im Moment unvorstellbar herausfordernd. Und gleichzeitig sieht man aber, dass Bewegungen wie Standing Together wachsen. Zehntausende, zuletzt sogar Hunderttausende Menschen, demonstrieren in Tel Aviv. Und unsere Partnerorganisationen sind ganz vorne mit dabei. Da sehe ich eine riesige Veränderungskraft. Die nehme ich mir in meine Arbeit hier in Deutschland und vor Ort mit. Das treibt auch mich an weiterzumachen.

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