„Frieden geht jeden etwas an“, sagte Dr. Balazs Kovacs, Landesdirektor des forumZFD auf den Philippinen, zum Auftakt der Konferenz. Deshalb sei es so wichtig, dass die Tagung viele Beteiligte zusammenbringe, von erfahrenen Journalistinnen und Journalisten über internationale Fachleute bis hin zu Lehrkräften und Studierenden aus den Kommunikationswissenschaften. Der zweitägige Austausch in Davao ermöglichte eine intensive Debatte über die Rolle von Medien in Konflikten. Dr. Kovacs betonte: „Konfliktsensibler Journalismus ist guter Journalismus und davon können wir alle mehr gebrauchen.“
Reverend Fr. Joel E. Tabora, Präsident der gastgebenden Ateneo de Davao Universität, verwies in seiner Begrüßungsrede auf die zahlreichen Kriege und Konflikte weltweit und appellierte insbesondere an die Journalistinnen und Journalisten im Publikum, durch eine differenzierte und vielseitige Berichterstattung zu einer friedlicheren Zukunft beizutragen. In Zeiten, in denen Staatsoberhäupter wie US-Präsident Donald Trump Medien als „Feinde des Volkes“ oder „Fake News“ verunglimpften, sei professioneller Journalismus mehr gefragt denn je, so Reverend Tabora.
Konflikte entschärfen statt anheizen
Die rund 300 Teilnehmenden aus Südostasien, Europa und dem Nahen Osten brachten vielfältige Erfahrungen und Ideen in die Diskussion über konfliktsensiblen Journalismus ein. Darunter versteht das forumZFD eine Medienberichterstattung, die gerade in Konfliktsituationen viele Perspektiven zu Wort kommen lässt. Journalistinnen und Journalisten sind gefordert, ihre eigene Rolle und vorgefertigte Denkmuster kritisch zu hinterfragen. So können Medien dabei helfen, Spannungen abzubauen, anstatt gesellschaftliche Gräben durch sensationsheischende oder einseitige Berichterstattung weiter zu vertiefen.
Antonia Koop, Mitbegründerin und langjährige Leiterin des internationalen Mediennetzwerks PECOJON (The Peace & Conflict Journalism Network), fasste das Konzept in ihrer Rede so zusammen: „Konfliktsensibler Journalismus ist ein Werkzeugkasten, der Medienschaffenden dabei hilft, mit Komplexität umzugehen. Es geht dabei nicht um Friedensaktivismus, sondern um die Qualität der Berichterstattung über Konflikte, Krisen und Kriege. Erst eine qualitativ hochwertige Berichterstattung ermöglicht es den Menschen, informierte Entscheidungen zu treffen – die Basis für jede Demokratie.“
Das forumZFD setzt sich auf den Philippinen bereits seit vielen Jahren für die Stärkung von konfliktsensiblem Journalismus ein. Gemeinsam mit PECOJON und den Media Educators of Mindanao (zu Deutsch: Medien-Lehrkräfte aus Mindanao, kurz MEM) bietet das forumZFD friedenspädagogische Fortbildungen und Zertifizierungen für Hochschuldozentinnen und -dozenten an. Die Lehrkräfte geben ihr Wissen wiederrum an ihre Studierenden weiter, wobei sie auf ein eigens entwickeltes Handbuch zurückgreifen können. Die Media Educators of Mindanao setzen sich außerdem dafür ein, dass das Thema ein fester Bestandteil der Lehrpläne wird. Mit Erfolg: Dozentinnen und Dozenten von 17 Hochschulen haben mittlerweile Trainings absolviert und einige von ihnen haben das neu erlernte Wissen bereits in ihren Unterricht integriert.
Wie konfliktsensible Berichterstattung Gewalt vorbeugen und Spannungen abbauen kann, zeigt auch das Radioprojekt „Die Stimme des Friedens“ in Cotabato. Die Stadt liegt in der muslimischen Autonomieregion Bangsamoro (BARMM) im Südwesten von Mindanao, der zweitgrößten Inselgruppe der Philippinen. Ein Friedensabkommen zwischen muslimischen Rebellengruppen und der philippinischen Zentralregierung ermöglichte die Gründung der Autonomieregion – ein Signal der Hoffnung nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs. Mit Unterstützung des forumZFD sendet das Kutawato Multimedia Network bereits seit 2013 jede Woche von Cotabato aus ein einstündiges Radioprogramm, das die Menschen selbst in den abgelegenen ländlichen Gegenden der Region erreicht. Die Sendung berichtet über Neuigkeiten zum Friedensprozess und lässt Vertreterinnen und Vertreter aller Konfliktparteien zu Wort kommen. Die differenzierte Berichterstattung wirkt deeskalierend und ermöglicht einen konstruktiven Dialog.
Feindbilder und Stereotype hinterfragen
Wie schwierig es in der Praxis manchmal sein kann, konfliktsensiblen Journalismus anzuwenden, davon berichteten auf der Konferenz in Davao mehrere erfahrene philippinische Medienschaffende. Beispielsweise erzählte die Reporterin Julie Alipala, die für die Tageszeitung „Philippine Daily Inquirer“ regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen berichtet, dass es häufig eine große Herausforderung sei, an gesicherte Informationen zu kommen. Dennoch lohne sich der Aufwand, denn „Konflikte sind nicht nur Zahlen von Toten und Verletzten“, so Alipala. „Hinter den Zahlen stehen Geschichten und individuelle Schicksale. Diese Geschichten müssen wir erzählen.“
Aber nicht nur in bewaffneten Auseinandersetzungen ist konfliktsensibler Journalismus gefragt. Auch in Europa und in Deutschland haben die Medien eine Verantwortung, sorgsam mit polarisierenden Themen umzugehen, sagte die Journalistikdozentin Sigrun Rottmann auf der Konferenz. Anstatt Öl ins Feuer zu gießen, sollten Medienschaffende die eigenen Feindbilder und Stereotype kritisch hinterfragen. Rottmann sieht einen Nachholbedarf in der deutschen Medienlandschaft: „Konfliktsensibler Journalismus ist in Deutschland noch immer ein Nischenthema, sowohl in der Forschung und Lehre als auch in der Praxis.“
Positive Bilanz zum Abschluss
Die vielen Studierenden im Publikum ließen sich von der Konferenz inspirieren, wie die Rückmeldungen zeigten. Eine Nachwuchsjournalistin sagte im Anschluss: „Durch die Konferenz ist mir bewusst geworden, wie sehr Kommunikation die Wahrnehmung der Menschen beeinflusst und dass die Medien genau darauf achten müssen, keine falschen Eindrücke zu vermitteln. Ich denke, konfliktsensibler Journalismus ist hierfür ein sehr sinnvoller Ansatz.“ Und ein Student aus Davao bemerkte: „Ich möchte später einmal Lehrer werden und meinen Schülerinnen und Schülern einen verantwortungsvollen Umgang mit Medien vermitteln – gerade in sozialen Netzwerken ist es wichtig, Falschnachrichten von Fakten zu unterscheiden.“
Auch das Organisationsteam zog eine positive Bilanz. Maya Vandenbroeck, Projektmanagerin beim forumZFD Davao, resümierte: „Die Konferenz hat das Bewusstsein dafür gestärkt, dass Medien dabei helfen können Konflikte zu deeskalieren. Guter Journalismus vermittelt der Öffentlichkeit nicht nur die Eckdaten eines Konflikts – was passiert wo und wann – sondern beleuchtet die tieferliegenden, komplexen Ursachen: Was sind die Auswirkungen und Implikationen für die Betroffenen? Was sind die Motive, Interessen, Bedürfnisse und Wahrnehmungen der involvierten Einzelpersonen und Gruppen? Sorgfältig recherchierte, vollständige und unabhängige Berichterstattung ermöglicht es den Menschen, Konflikte mit friedlichen, konstruktiven und kreativen Methoden zu bearbeiten – ohne dass das Militär gewaltsam eingreifen muss.“
Die Veranstaltung „On Conflict-Sensitive Journalism – An International Academic Conference“ fand vom 10. bis 11. Februar 2019 an der Ateneo de Davao Universität statt.
Die Tagung war eine gemeinsame Initiative von forumZFD, dem Peace & Conflict Journalism Network (PECOJON), den Media Educators of Mindanao Inc (MEM), der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), dem Asian Institute of Journalism and Communication (AIJC) und dem Asian Media Information and Communication Centre (AMIC).
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Forschung auf der Konferenz vorgestellt haben, nehmen an einem Auswahlverfahren teil. Ausgewählte Arbeiten werden in der Fachpublikation „Media Asia“ veröffentlicht.
Die Konferenz wurde durch die Förderung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ermöglicht.