EU-Atomwaffen: Brandgefährliche Gedankenspiele

Ein Kommentar von Simon Bödecker, Ohne Rüstung Leben e.V.

Nicht wenige Menschen in Deutschland werden sich verwundert die Augen gerieben haben: Angestoßen von Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und weiter entfacht von SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley drehte sich eine der ersten Debatten im Europawahlkampf ausgerechnet um nukleare Aufrüstung. Von einer Teilhabe an den französischen Arsenalen bis hin zum "wandernden roten Knopf" reichten die Ideen. Diesen fehlgeleiteten und brandgefährlichen Gedankenspielen muss entschieden widersprochen werden.
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© Simon Bödecker

EU-Atomwaffen wären ein klarer Völkerrechtsbruch! Der Nichtverbreitungsvertrag (NVV), den alle EU-Staaten unterzeichnet haben, verbietet jede nukleare Neubewaffnung. Allein dass mit dem Gedanken gespielt wird, dagegen zu verstoßen, schadet dem wichtigen Vertrag ebenso wie der Glaubwürdigkeit der EU in der Welt. Schon jetzt stehen sich in Europa verschiedene Atommächte gegenüber, die alle aufrüsten. Die US-Atombomben in vier EU-Staaten sollen zudem durch neue B61-12 ersetzt werden.

Selbst wenn man der "Logik" des atomaren Gleichgewichtes folgen möchte, lässt sich nicht leugnen: Noch mehr Atomwaffen und Kommandostrukturen machen die Situation komplexer und lassen das Risiko eines Atomkrieges massiv steigen. Ob dieser dann bewusst, durch einen Unfall oder durch einen Irrtum beginnt, spielt am Ende keine Rolle mehr.

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Eine Politik, die vollständige gegenseitige Vernichtung als Option in Kauf nimmt, wird niemals zu Frieden und Sicherheit führen!

Simon Bödecker, Ohne Rüstung Leben e. V.

 

Atomwaffen bedrohen unsere Sicherheit allein durch ihre Existenz. Ein Einsatz hätte schreckliche humanitäre Konsequenzen. Unabhängig von den Kriegen unserer Zeit muss daher klar sein: Eine Politik, die vollständige gegenseitige Vernichtung als Option in Kauf nimmt, wird niemals zu Frieden und Sicherheit führen!

Angesichts der wachsenden Eskalationsgefahr sollte Europa jetzt auf einen seiner größten Trümpfe zurückgreifen – die Erfahrung aus einer wechselvollen Geschichte. Dazu gehört das Wissen, dass Entspannungspolitik und nukleare Rüstungskontrolle in den 1980er-Jahre eine Epoche gemeinsamer Sicherheit eingeleitet haben. Bei der Aushandlung des Iran-Abkommens (JCPoA) hat die EU-Diplomatie zudem ihr Koordinationsgeschick in Fragen der nuklearen Rüstungskontrolle unter Beweis gestellt. 

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2016 empfahl das Europaparlament allen Mitgliedsstaaten, sich an den Verhandlungen über ein weltweites Atomwaffenverbot zu beteiligen. Inzwischen ist der UN-Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) in Kraft getreten. Es gilt nun, konkrete Schritte auf dem langen Weg zu einer atomwaffenfreien Welt zu unterstützen.

An Möglichkeiten dazu mangelt es nicht: Die EU-Politik kann Initiativen für Abrüstung und Rüstungskontrolle starten. Oder darauf hinwirken, dass die Atomwaffenstaaten jeden Ersteinsatz ausschließen und negative Sicherheitsgarantien abgeben (also atomwaffenfreien Staaten zusichern, sie nicht mit Atomwaffen anzugreifen). Und die EU sollte sich an den wichtigen Initiativen zur Unterstützung von Betroffenen im Rahmen des AVV beteiligen. Mit jedem dieser Schritte kann sie deutlich mehr zu Frieden und Sicherheit beitragen als mit absurden Debatten über eigene Atomwaffen.

Simon Bödecker ist Referent für atomare Abrüstung bei Ohne Rüstung Leben e. V. Die Organisation ist Mitglied des forumZFD.

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