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Mit Kommunikation und Haltung gegen den Rechtsruck

Interview mit dem ehemaligen Bürgermeister von Ludwigslust

Die Berichte über das „Potsdamer Geheimtreffen“ von AfD-Funktionär*innen und anderen Rechtsextremen hat eine Welle von Empörung und Solidarität mit den migrantischen Communities in Deutschland ausgelöst. Dennoch scheinen Rassismus und Demokratiefeindlichkeit derzeit zunehmend salonfähig zu werden – nicht nur, aber insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern. Reinhard Mach war zwischen 2010 und 2024 Bürgermeister von Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern. Er hat die Kleinstadt als „Stadt der Vielfalt“ etabliert. Mithilfe von Kommunaler Konfliktberatung durch das forumZFD hat der 68-Jährige die Integration von Geflüchteten und Eingewanderten pragmatisch und effizient umgesetzt und sich damit in Ludwigslust viele Freund*innen gemacht. Wir wollten von Reinhard Mach wissen, wie man den Rechtsruck wirksam bekämpft und den Menschen Lust auf Integration macht.
Reinhard Mach Header
© Stadt Ludwigslust

Herr Mach, seit Sie 2010 als Bürgermeister in Ludwigslust angetreten sind, ist vieles passiert. Welche Veränderungen haben Sie in dieser Zeit bei den Menschen in Ludwigslust festgestellt?

Grundsätzlich haben sich die Sorgen und Nöte der Menschen nicht verändert. Im Osten Deutschlands hat es nach der Wende eine lange Zeit gegeben, die für die Menschen von großer Unsicherheit und Zukunftsängsten geprägt war. Es hat lange gedauert, bis sich das ein bisschen stabilisiert hat. Dann kam Corona und alles wurde runtergefahren. Seitdem haben wir jeden Montag eine Demo in Ludwigslust, wo die Leute gegen alles Mögliche demonstrieren: Inflation, Corona, Waffenexporte, die Politik der Bundesregierung. Bedauerlicherweise springen auf solche Situationen Rechtsextreme auf. 

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Wie haben Sie sich dazu positioniert?

Auf diesen Demos durfte zum Beispiel jemand sprechen, der bei der AfD rausgeflogen war, weil er denen zu rechts war. Ich habe abgelehnt, dort zu sprechen, so lange das „offene Mikrofon“ dort solchen Leuten eine Plattform bietet.

Wie sind Sie damit umgegangen, wenn Sie als Bürgermeister mit menschenfeindlichen Äußerungen konfrontiert wurden?

Wenn Menschen offen nichts anderes kommunizieren als Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, kann man dem nicht mit Verständnis begegnen. Aber wenn mir zum Beispiel Eltern sagen, dass sie den Lernerfolg ihrer Kinder gefährdet sehen, weil zu viele Kinder unterschiedlicher Nationalitäten in der Klasse sind und die Klassen größer werden und die Kompetenzen des Lehrpersonals dem nicht mehr gewachsen sind, dann muss man solche Sorgen ernst nehmen. Offen rassistisch und rechtsextremistisch ist man mir in Diskussionen nicht begegnet – auch weil ich meine Haltung dazu immer klar gemacht habe.

Reinhard Mach spricht auf der Demo „Lulu für Vielfalt und Demokratie“ in Ludwigslust.

Was kann die Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit tun?

Die Zivilgesellschaft spielt eine große Rolle! Wir haben seit diesem Treffen in Potsdam regelmäßig Demonstrationen der Zivilgesellschaft, die sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus wenden. Ich bin in der Initiativgruppe und werbe immer dafür, dass wir nicht gegen etwas demonstrieren sollten, sondern dass wir uns für Demokratie und für das Grundgesetz einsetzen sollten: für Menschenrechte, für Demonstrationsfreiheit, für Freiheit insgesamt. 

Was muss auf Bundesebene passieren, um dem Rechtsruck zu begegnen?

Der ist ja in der Bevölkerung entstanden, weil die Kommunikation der Regierung so ist, wie sie ist. Da würde ich die CDU mit einbeziehen, die sich teilweise eines Vokabulars bedient, dass ich grenzwertig finde. Damit der AfD Stimmen abzujagen, hat ja im Ergebnis nicht stattgefunden. Man muss Politik machen, die der sehr differenzierten Situation der Menschen gerecht wird.

Was heißt das beim Thema Flucht und Migration konkret?

Weniger Bürokratie, mehr Offenheit zur Lösung ganz individueller Situationen. Die Lösung scheitert ganz oft an irgendwelchen Absätzen in irgendwelchen Paragrafen. Der Bund ist in sich selbst gefangen, wenn es um solche Dinge geht. Zwischen den Grünen und der FDP gibt es – wie zu erwarten war – heftige Auseinandersetzungen. Da werden häufig extreme Positionen eingenommen, die von den Menschen natürlich auch wahrgenommen werden. Das verunsichert die Menschen und befeuert ihre Unzufriedenheit. Unzufriedene Menschen wählen gerne Protest und die Protestpartei ist inzwischen die AfD. Insofern braucht es schlicht eine klarere Kommunikation, weniger Bürokratie und mehr Unterstützung für das Bildungssystem. 

Das muslimische Fastenbrechen ist in Ludwigslust Anlass für Festlichkeiten.

Sie haben sich seit 2015 in diesem Zusammenhang Unterstützung durch die Kommunale Konfliktberatung des forumZFD geholt. Wie hat Ihnen das geholfen?

Frau Armbruster-Petersen (Konfliktberaterin des forumZFD, Anm. d.Red.) hat früh erkannt, dass wir neben einer Betrachtung der Metaebene auch ganz praktische Hilfe brauchen. Etwa dabei, die Ansprache von Geflüchteten zu organisieren und die Menschen zueinander zu führen. Oder dabei, Methoden für Workshops zu entwickeln, um die unterschiedlichen Sichtweisen zueinander zu bringen. Das hat uns sehr geholfen.

Wie sah das in Ludwiglust aus?

Mit Unterstützung des forumZFD haben wir zunächst ein Netzwerk geschaffen und unter Beteiligung der Kommunalpolitik einen Integrationsbeirat ins Leben gerufen. Dort sind etwa die Hälfte der Mitglieder Eingewanderte bzw. Geflüchtete. Jeweils ein Viertel der Mitglieder kommt aus der ehrenamtlichen Kommunalpolitik und aus den Reihen der haupt- und ehrenamtlichen Unterstützer von Integrationsarbeit. Wir haben eine Erklärung für Vielfalt, Toleranz, Akzeptanz, Gleichberechtigung und Demokratie entwickelt. Diese wurde von unserer Stadtvertretung als Leitbild beschlossen. Die Stadt hat als Arbeitgeber Eingewanderte und Geflüchtete – unter anderem aus dem Iran, Syrien und Armenien – eingestellt und in die Teams unserer Beschäftigten integriert.

Reinhard Mach (l.) besuchte das Bunte Picknick der Stadt Ludwigslust.

Ihnen ist es offenbar gelungen, Menschen in Ludwigslust für Integration zu begeistern. Worauf kommt es dabei an? 

Ich glaube: Man muss genau hinschauen, in welcher Situation sich welche Menschen befinden, um sich mit gemeinsamen Analysen Ziele zu setzen: Was wollen wir eigentlich erreichen? Wenn man das geschafft hat, kann man gemeinsam schauen: Auf welchem Wege können wir das tun? Es ist wichtig, sich Ziele zu setzen, die man wirklich erreichen kann, um Frustration zu vermeiden. Wenn man von Misserfolg zu Misserfolg schlittert, laufen einem die Leute weg. Wenn man Menschen begeistern will, mitzumachen, dann muss man Erfolg haben.

Das Gespräch führten Piet van Riesenbeck und Gabriel Risse.

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