Vom Kalten zum Heißen Krieg?

Rückblick auf die Aktionstagung 2019

Welche Konflikte entstehen durch den Klimawandel und wie kann Friedensarbeit zur Lösung beitragen? Diese Frage stand im Zentrum der diesjährigen Aktionstagung des forumZFD. Ein Wochenende lang diskutierten die Teilnehmenden in Königswinter das hochaktuelle Thema und tauschten Ideen aus. Durch den generationsübergreifenden Ansatz waren vielfältige Perspektiven in der Gruppe vertreten – von jungen Studierenden der Friedens- und Konfliktforschung bis hin zu erfahrenen Friedensaktivistinnen und -aktivisten.
Aktionstagung 5
© forumZFD

Die Aktionstagung begann mit einem europapolitischen Schwerpunkt. Freitagabend war der SPD-Politiker Arne Lietz aus Sachsen-Anhalt zu Gast, der von 2014 bis 2019 Mitglied des EU-Parlaments war. Damit knüpfte die Tagung an das letztjährige Thema an („Rettet das Friedensprojekt Europa“). In der Diskussionsrunde kamen sowohl europa- als auch klimapolitische Fragen zur Sprache.

Als EU-Abgeordneter war Arne Lietz verteidigungspolitischer Sprecher der Europa-SPD und arbeitete unter anderem im Auswärtigen Ausschuss und im Entwicklungsausschuss. Auf der Aktionstagung kritisierte er die zunehmende Militarisierung der europäischen Entwicklungshilfe: „Hier müssen wir sehr aufpassen.“ Auch einige Teilnehmende brachten ihre Besorgnis mit Blick auf Abschottung und Aufrüstung der EU zum Ausdruck. Lietz betonte, es brauche eine stärkere gesellschaftliche Debatte über Abrüstung sowie einen konsequenten Umbau der Rüstungsindustrie hin zu ziviler Produktion.

Beim Thema Klimaschutz sieht Lietz die Europäische Union in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen. Zum Teil gelinge dies bereits: „Die EU setzt in vielen Politikfeldern Umweltstandards, die den Mitgliedstaaten auf die Füße fallen, wenn sie nicht danach handeln – die Mahnungen an Deutschland, die Nitratbelastung im Grundwasser zu senken, sind hierfür ein Beispiel. Klimaschutz macht an der Grenze nicht Halt, deshalb brauchen wir europäische Lösungen.“

Arne Lietz (links) auf der Aktionstagung: „Beim Klimaschutz muss die EU vorangehen.“

Lietz ermunterte die Teilnehmenden der Aktionstagung dazu, als Zivilgesellschaft auf Entscheidungsträgerinnen und -träger einzuwirken: „Nagelt die Politikerinnen und Politiker fest: Ladet sie ein und sprecht mit ihnen über ihre Politik!“ Mit dieser und vielen weiteren Anregungen starteten die Teilnehmenden in das Tagungswochenende.

Am Samstagmorgen war die Klimatologin Rebecca Froese der Uni Koblenz-Landau zu Gast, die als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der AG Landnutzungskonflikte sowie an der Friedensakademie Rheinland-Pfalz tätig ist. In einer umfassenden Analyse stellte sie der Gruppe die komplexen Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Konflikten vor.

Bedroht der Klimawandel den Frieden?

Bisher sei es wissenschaftlich nicht eindeutig belegt, dass Klimawandel unvermeidlich zu gewalttägigen Auseinandersetzungen führe, betonte Froese. Der Klimawandel sei vielmehr ein Risikomultiplikator, da er die Gesellschaften vor immense Herausforderungen stelle und bestehende Konflikte verschärfen könne.

Die Wissenschaftlerin wies darauf hin, dass die bisherigen politischen Lösungsvorschläge den Klimawandel kaum aufhalten würden: Selbst wenn alle Beschlüsse des Pariser Klimaabkommens umgesetzt würden, sei dies nicht ausreichend, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das zeigten unter anderem Berechnungen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen.

Wissenschaftlerin Rebecca Froese erklärte, wie der Klimawandel Konflikte verschärft. Lietz (links) auf der Aktionstagung: „Beim Klimaschutz muss die EU vorangehen.“

Froese betonte aber auch, dass Klimaschutzmaßnahmen konfliktsensibel umgesetzt werden müssen, um zu vermeiden, dass beispielsweise durch den Bau von Windparks oder Solaranlagen neue Konflikte entstünden. Das Fazit der Forscherin: Frieden und Kooperationen seien die Grundlage für einen wirksamen Klimaschutz und effektive Klimaanpassungsmaßnahmen.

Ideen für politisches Engagement

Am Samstagnachmittag beschäftigten sich die Teilnehmenden in drei Workshops mit verschiedenen Themen. Roland Schüler, Mediator und Geschäftsführer des Friedensbildungswerks Köln, zeigte Möglichkeiten zum Dialog über strittige Themen auf, zum Beispiel zwischen Bergbauarbeiterinnen und -arbeitern auf der einen und Umweltaktivistinnen und -aktivisten auf der anderen Seite. Clara Tempel vom Jugendnetzwerk für politische Aktionen erarbeitete mit den Teilnehmenden Ideen für konkrete Aktionen des zivilen Ungehorsams. Nils Petermann, Mitbegründer der „Bürgerlobby Klimaschutz e.V.“, sprach über die verschiedenen Wege, auf denen Bürgerinnen und Bürger auf Politik einwirken können.

In einem Workshop auf der Aktionstagung entwickelten die Teilnehmenden eigene Ideen für Aktionen des zivilen Ungehorsams.

Beim Markt der Möglichkeiten am Abend stellten mehrere Teilnehmende Initiativen und Ideen für politisches Engagement vor und kamen darüber ins Gespräch. Vertreten waren die Initiative „Münchener Sicherheitskonferenz verändern“, ein Projekt der Evangelischen Erwachsenenbildung Niedersachsen zur Ausbildung von Rückkehrerinnen und Rückkehrern aus Friedenseinsätzen und dem Zivilen Friedensdienst, die Informationsstelle Militarisierung, die Erd-Charta-Initiative, eine Aktion der IPPNW gegen Atomwaffenstützpunkte, „Europäische Solidaritätsprojekte“, die mit EU-Mitteln gefördert werden, sowie ein Neusser Projekt von Friedensbewegung und Fridays for Future.

Kräfte bündeln für Klimaschutz und Frieden

Zum Abschluss der Tagung stand am Sonntagmorgen die Frage im Zentrum, wie Klima- und Friedensbewegung langfristig erfolgreich sein können. Denkanstöße kamen dabei von Dr. Angelika Claußen (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.) sowie Salome Marte und Robert Müller-Uri von „Fridays For Future Bonn“.

Aktivist Robert Müller-Uri berichtet, warum er sich bei „Fridays for Future“ engagiert.

In der anschließenden Diskussion in großer Runde wurde deutlich, dass Klima- und Friedensbewegung viele Anknüpfungspunkte haben. Mehrere Teilnehmende äußerten den Wunsch, die Kräfte zu bündeln um gemeinsam mehr Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit für Friedens- und Klimathemen zu erzielen – gerade auch angesichts der inhaltlichen Verknüpfung der beiden Problematiken, die auf der Tagung detailliert herausgearbeitet wurden.

Insgesamt bot die Tagung den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich intensiv mit dem Themenkomplex Klimawandel und Konflikte auseinanderzusetzen. Dadurch wurde auch das Verständnis für die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen gefördert, welche sowohl Klima- und Umweltschutz (Ziele 13-15) als auch Friedensförderung (Ziel 16) beinhalten. Die Teilnehmenden konnten neue Kontakte knüpfen und Ideen für politisches Engagement erarbeiten. Wir hoffen, dass einige der Teilnehmenden die Impulse und Anregungen, die sie durch die Tagung gewonnen haben, in ihren Alltag einbinden und die erarbeiteten Handlungsmöglichkeiten umsetzen.

Die Tagung wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung von Engagement Global, der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen sowie Brot für die Welt:

© Engagement Global / Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW / Brot für die Welt