Derek Sanico ist Teil des Kutawato Multimedia Networks (KuMuNet), einem Projektpartner des forumZFD. Hervorgegangen ist das Netzwerk aus einer Reihe von Journalismus- und Multimedia-Workshops, die vom forumZFD organisiert wurden. Seit 2013 sendet es jede Woche das einstündige Radioprogramm „Bangsamoro heute: Die Stimme des Friedens“, das über Neuigkeiten zum Friedensprozess berichtet und allen Konfliktparteien Mindanaos eine Stimme gibt.
Um die Hintergründe des Konflikts in Mindanao, der zweitgrößten Insel der Philippinen, besser zu verstehen, hilft ein Blick in die Geschichte. Denn der Konflikt reicht lange zurück: Im 16. Jahrhundert kolonialisierte Spanien die Philippinen und versuchte, das Land zu christianisieren – im muslimisch geprägten Mindanao jedoch weitestgehend ohne Erfolg. Fast drei Jahrhunderte später annektierten schließlich die USA die Philippinen, unterwarfen die philippinischen Muslim*innen, auch Moros genannt, militärisch fast vollständig und öffneten die Insel für Menschen aus den nördlichen und mittleren Philippinen. Dadurch wurden die Moros letztlich auf eine Minderheit reduziert und fühlen sich seither von der Regierung wirtschaftlich, sozial und kulturell diskriminiert.
Ende der 1960er Jahre eskalierte der Konflikt schließlich zu einem Bürgerkrieg. Mehrere Versuche von Friedensverhandlungen scheiterten. Erst 2014 kam es zu einem entscheidenden Durchbruch, der durch ein erfolgreiches Referendum im Jahr 2019 formalisiert wurde. Dieses Referendum legte unter anderem die Bildung eines autonomen Gebiets für die Moros fest. Im Podcast erläutert Derek Sanico die Bedeutung der Friedensarbeit in Mindanao und betont, dass sie trotz dieses Erfolgs auch in Zukunft entscheidend sein wird.
Der lange Weg zur Heilung
Obwohl Derek selbst nicht aus einer Moro-Familie stammt, wurde auch seine Familie über Generationen hinweg traumatisiert – 19 Familienmitglieder kamen bereits ums Leben. Die Erfahrungen von Verlust und Trauer wurden von Generation zu Generation weitererzählt. Schon als Kind sah er alle Moros als verantwortlich für seine Verluste an, betrachtete sie als Feinde und sehnte sich nach Gerechtigkeit. „Das ist das, was unsere Eltern uns beigebracht haben“, erklärt er im Podcast.
Erst durch seine ehrenamtliche Arbeit bei KuMuNet und ein damit verbundenes Konflikttransformationstraining des forumZFD erkannte Derek die eigentlichen Ursachen der Gewalt. Die intensive Auseinandersetzung mit Friedens- und Konfliktthemen ermöglichte es ihm, sein Verständnis zu erweitern: „Wenn ich zu Beginn meiner Freiwilligenarbeit gesehen habe, dass Hilfspakete an Moros gehen sollten, habe ich ihnen nicht alles gegeben, was in den Paketen war“, gesteht er. Seine eigenen Wunden zu heilen, war ein monatelanger Kampf, in dem er Schritt für Schritt verstand, dass auch die Moros Opfer des Konflikts sind.
Darüber hinaus lernte er im Rahmen der Ausbildung die Teile der Geschichte Mindanaos kennen, die im normalen Schulunterricht nicht gelehrt werden – beispielsweise Erzählungen des Friedens und der guten Beziehungen zwischen den verschiedenen Identitätsgruppen. Auf dieser Grundlage basiert auch das Projekt „Mindanao Histories and Studies“ des forumZFD, das sich seit Jahren dafür einsetzt, diese Geschichten in die allgemeine Bildung zu integrieren.
Projekte gegen den Hass
Heute organisiert Derek mehrtägige Workshops, um den Dialog zwischen den Bevölkerungsgruppen zu fördern und alte Feindbilder zu überwinden. Er betont, dass die Wiederherstellung von Vertrauen ein zentrales Element des Friedensprozesses und eine Voraussetzung für den Erfolg der Übergangsphase sei. Darüber hinaus hätten die Gemeinschaften, die an Friedensbildungsmaßnahmen teilgenommen haben, ein stärkeres soziales Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt – eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich die Lebensbedingungen für alle verbessern.
Zu den Teilnehmenden seiner Trainings zählen religiöse Oberhäupter, Lokalpolitiker*innen und Führungspersönlichkeiten aus den Dorfgemeinschaften. Die Schulungen sind auf die spezifischen Bedürfnisse der Gemeinschaften zugeschnitten und bauen auf deren bestehendem Wissen auf. Dabei geht es nicht nur darum, theoretisches Wissen über friedliche Konfliktlösungen zu vermitteln, sondern auch praktische Fähigkeiten zu entwickeln, die sofort in die Praxis umgesetzt werden können.
Angesichts der laufenden Umsetzung des Friedensabkommens ist diese Friedensarbeit von besonderer Bedeutung, um die bisherigen Fortschritte nachhaltig zu sichern. Derek beschreibt den fortlaufenden Prozess mit einem treffenden Bild: „Friedensarbeit ist wie das Stapeln von Blöcken – immer wieder fällt ein Block um und muss neu gesetzt werden.“
Das gesamte Gespräch anhören
Den Podcast des Radiosenders „Wüstenwelle“ mit dem Bericht von Derek Sanico können Sie sich hier anhören: