Waffenlieferungen ‚Made in Europe‘

forumZFD kritisiert EU-Beschluss für neue Europäische Friedensfazilität

Bei ihrem Treffen am 22. März wollen die Außenminister*innen der EU-Staaten über die sogenannte Europäische Friedensfazilität entscheiden. Nach Informationen von tagesschau.de werden 5,7 Milliarden Euro für diesen neuen Finanzierungstopf außerhalb des regulären EU-Haushalts für Militärhilfen und -einsätze in den Jahren von 2021 bis 2027 zur Verfügung gestellt.
Karikatur Europäische Friedensfazilität

Die sogenannte Friedensfazilität ist ein „Instrument zur Stärkung der Kapazitäten von Drittstaaten sowie regionalen und internationalen Organisationen in Militär- und Verteidigungsfragen“, heißt es in dem Entwurf für den Beschluss der Außenminister*innen, aus dem das ARD-Magazin Monitor in einem Beitrag vom 11. März zitiert. Konkret kann die EU damit in Zukunft Waffen und militärische Ausrüstung an Drittstaaten in Krisenregionen liefern. Fachleute erwarten vor allem Lieferungen an Armeen im Sahel, etwa in Mali, Niger oder dem Tschad – allesamt Länder, deren Regierungen an bewaffneten Konflikten beteiligt sind oder deren Armeen widerholt Menschenrechtsverletzungen und Repressionen gegen Zivilgesellschaft vorgeworfen wurden.

Der milliardenschwere Finanzierungstopf entsteht außerhalb des regulären EU-Haushalts, weil die europäischen Verträge keine gemeinsamen Militärausgaben erlauben. Darum wird das Europäische Parlament keine Rechte haben, um den Einsatz der Mittel zu kontrollieren oder Rechenschaft einzufordern. Allein die Regierungen der Mitgliedstaaten werden darüber entscheiden, welche Staaten Waffen und Ausrüstung im Namen Europas erhalten.

Friedensfazilität gefährdet Menschenrechte

Das forumZFD hatte bereits im Herbst 2019 gemeinsam mit 18 weiteren Organisationen in einem Brief an Außenminister Heiko Maas Kritik am damals vorliegenden ersten Entwurf für die Friedensfazilität geäußert: „Die gewählte Bezeichnung ‚Friedensfazilität‘ für ein Budget, das ausschließlich zur Finanzierung von Ausbildung, Ausrüstung und Einsatz von Militär vorgesehen ist, ist in unseren Augen unangemessen und irreführend. Unsere Bedenken beziehen sich insbesondere auf die Maßnahmen zur Ausbildung und Ausrüstung der Armeen von Drittstaaten. Die bisherige Erfahrung mit solchen ‚Ertüchtigungsmaßnahmen‘ gibt Grund zu befürchten, dass die Europäische Union mit dieser Fazilität zukünftig Rüstungsgüter liefert und finanziert, die für die Repression von Zivilgesellschaft und gegen die Zivilbevölkerung zum Einsatz kommen. Damit würde die EU dem Geist ihres Gemeinsamen Standpunkts zu Rüstungsexporten widersprechen.“

Die Bilanz militärischer Ausbildungs- und Ausrüstungshilfen ist schlecht bis skandalös. Diese Programme stärken oft Regierungen, die selbst über keine demokratische Legitimation verfügen, sich nicht an Menschenrechtsvereinbarungen halten oder an Rechtsstaatskonventionen gebunden fühlen, und Sicherheitskräfte, die selbst Konfliktparteien sind. Wiederholt berichteten deutsche Medien über Menschenrechtsverletzungen der malischen Armee, die unter anderem von der EU und von der deutschen Bundesregierung Ausbildung und Ausrüstung erhält. Großes Aufsehen erregten Bilder von Internierungslagern in Libyen, in denen die von der EU unterstützte libysche Küstenwache Geflüchtete festhält. Hilfsorganisationen berichten, die Lebensbedingungen in den Internierungslagern seien katastrophal, es gibt Berichte über Misshandlungen und Folter.

Für diese Art von Programmen sollen mit der Friedensfazilität ab Mitte diesen Jahres noch mehr Gelder noch flexibler als bislang zur Verfügung stehen. Auf die erheblichen Risiken wiesen auch die Bonner Friedensforscher*innen Stella Hauk und Max Mutschler hin. Sie warnen vor Missbrauch und unkontrollierter Weiterverbreitung ausgelieferter Rüstungsgüter.

Im November 2020 warnten 40 internationale Friedensorganisationen, darunter auch das forumZFD, erneut vor den erheblichen Risiken der Friedensfazilität und forderten vor allen, die Lieferung von Waffen und Munition auszuschließen und stattdessen mehr für zivile Konfliktbearbeitung und Friedensförderung zu tun. „Die Friedensfazilität wird eher zur Destabilisierung beitragen, wenn sie noch mehr Waffen in den Sahel bringt“, warnte Mitunterzeichner Olivier Guiryanon von der Organisation BUCOFORE aus dem Tschad.

Allen Warnungen aus Friedensforschung und Zivilgesellschaft zum Trotz ist zu erwarten, dass die Außenminister*innen das Vorhaben am 22. März auf den Weg bringen. Die Europäische Union macht damit den nächsten Schritt weg vom zivilen Staatenbündnis und Friedensprojekt. Umso dringlicher werden damit Forderungen nach einem deutschen Rüstungsexportkontrollgesetz und einer entsprechenden rechtsverbindlichen europäischen Verordnung, damit europäische Waffen nicht an menschenrechtsverletzende Regime oder in Kriegs- und Krisengebiete gelangen.