Frieden schaffen auch mit Waffen?!

Online-Dialogreihe zur Globalen Nachhaltigkeitsagenda

Bei der zweiten Diskussionsrunde zur europäischen Friedens-, Entwicklungs- und Nachhaltigkeitspolitik stand das Für und Wider militärischer Hilfe für Konfliktregionen im Fokus. Zu Gast waren die Diplomatin Pamela Preusche vom Auswärtigen Amt und der Friedensforscher Dr. Max Mutschler vom Bonn International Center for Conversion. Rund 100 Teilnehmende verfolgten die Veranstaltung live im Internet und stellten viele kritische Fragen.
Webinar: Frieden schaffen auch mit Waffen?!
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Nachhaltige Entwicklung braucht Frieden, Krieg und Gewalt hingegen verhindern Entwicklung. Doch kann die EU mit militärischer Hilfe für andere Staaten mehr Sicherheit bringen und zum Frieden beitragen? Welche Risiken sind mit der Lieferung von Waffen verbunden? Gibt es Alternativen?

Diese und weitere Fragen standen im Zentrum der Online-Dialogveranstaltung „Frieden schaffen auch mit Waffen?!“ Die Gäste, Pamela Preusche vom Auswärtigen Amt und der Friedensforscher Dr. Max Mutschler, brachten unterschiedliche Perspektiven ein und auch dank zahlreicher Fragen aus dem Publikum entwickelte sich eine kontroverse und differenzierte Diskussion.

Das vollständige Gespräch können Sie hier anschauen:

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Zu Beginn der Veranstaltung stellte Moderator Christoph Bongard vom forumZFD das Thema vor und wies darauf hin, dass Deutschland ab Juli die Ratspräsidentschaft in der EU innehaben wird. Unter dem deutschen Vorsitz stehen wichtige Entscheidungen an, nicht zuletzt über die sogenannte Europäische Friedensfazilität. Ab 2021 sollen damit Militäreinsätze sowie Ausbildung und Ausrüstung der Armeen von Drittstaaten mit bis zu 10,5 Milliarden Euro finanziert werden. Zurzeit beraten die Außenminister*innen der EU über das Vorhaben und die Verhandlungen befinden sich in einer entscheidenden Phase.

Pamela Preusche hat als Europäische Korrespondentin im Auswärtigen Amt einen direkten Einblick in die Verhandlungen. Sie sagte im Online-Dialog zu der sogenannten Friedensfazilität: „Wir haben festgestellt, dass die Ausbildung, die wir bereits durch verschiedene Missionen vor Ort leisten, an Grenzen stößt, wenn sie nicht auch durch das notwendige Material unterstützt wird. Wir bilden Sicherheitskräfte aus, aber hinterher haben sie kein Gerät.“ Dieses Problem solle durch die sogenannte Europäische Friedensfazilität behoben werden. Die Diplomatin erläuterte dies am Beispiel Afghanistan: Wenn internationale Staaten die örtliche Polizei darin schulten, bei Demonstrationen keine Schusswaffen sondern Schlagstöcke einzusetzen, müsse eben auch das entsprechende Equipment vorhanden sein.

Nachhaltige Entwicklung braucht Frieden

Ein weiteres Argument für die sogenannte Europäische Friedensfazilität ist aus Sicht von Pamela Preusche, dass sie die Europäische Union durch die Kombination von Ausbildung und Materiallieferung für Drittstaaten als Partner interessanter mache. Insgesamt sei es das Ziel „legitime, rechtsstaatliche Strukturen zu unterstützen beziehungsweise zu schaffen, Stabilität und Frieden zu ermöglichen, Krisen und bewaffneten Konflikten vorzubeugen und damit die Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen.“

Dr. Max Mutschler vom Bonn International Center for Conversion äußerte sich dagegen kritisch zum Konzept der Stabilisierung. Dahinter stecke „ein falsches Bild vom Staat als gute und helfende, zumindest aber als neutrale Instanz, im Sinne von ‚die Polizei – dein Freund und Helfer‘“, sagte Mutschler. Der Friedensforscher fragte: „Was aber passiert, wenn die Sicherheitskräfte korrupt und nicht rechenschaftspflichtig sind? Was, wenn die Regierung selbst Partei in einem gewalttätigen Konflikt ist und die Sicherheitskräfte als Machtmittel nutzt, um sich durchzusetzen? In diesen Fällen stützt man mit der vermeintlichen Stabilisierung repressive Strukturen, die ein Teil des Problems sind.“

Trügerische Ruhe?

Kurzfristig könne Stabilisierung tatsächlich zu einer Beruhigung von Konfliktsituationen führen, so Mutschler. Diese Ruhe sei aber trügerisch und meist nur von kurzer Dauer, wenn sie nicht auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie beruhe. Als Beispiele führte er die Regime von Muammar al-Gaddafi in Libyen und Baschar al-Assad in Syrien an: Sie galten lange Zeit als Stabilitätsgaranten für den Westen, bis die Systeme schließlich implodiert und in gewaltsamen Konflikten mündeten.

Moderator Christoph Bongard vom forumZFD verlieh der Sorge vieler Friedensorganisationen Ausdruck, dass mögliche Mehrausgaben der EU im militärischen Bereich auf Kosten der Mittel für zivile Friedensförderung gehen könnten. Pamela Preusche erläuterte, dass genaue Zahlen aufgrund der laufenden Verhandlungen noch nicht bekannt seien, die Bundesregierung aber eine Balance von zivilem und militärischem Engagement anstrebe.

Rund 100 Teilnehmende verfolgten die Dialogveranstaltung per Live-Stream im Internet. Das große Interesse an dem Thema wurde auch an den zahlreichen Fragen aus dem Publikum deutlich. Die Dialog-Reihe zur europäischen Friedens-, Entwicklungs- und Nachhaltigkeitspolitik wird mit weiteren Veranstaltungen fortgesetzt.

Position des forumZFD zur Europäischen Friedensfazilität

Das forumZFD und 18 weitere Organisationen haben die Europäische Friedensfazilität öffentlich kritisiert. Gemeinsam haben sie den deutschen Außenminister Heiko Maas im Oktober 2019 zum Handeln aufgefordert. In einem Offenen Brief schrieben die Organisationen:

„Die neue Fazilität birgt erhebliche Risiken für den Frieden, für die Sicherheit der Zivilbevölkerung und für die Menschenrechte. Die Bilanz militärischer Ausbildungs- und Ausrüstungshilfen ist schlecht. Diese Programme stärken oft Regierungen, die selbst über keine demokratische Legitimation verfügen, sich nicht an Menschenrechtsvereinbarungen halten oder an Rechtsstaatskonventionen gebunden fühlen, und Sicherheitskräfte, die selbst Konfliktparteien sind.“

Den vollständigen Text können Sie hier nachlesen.

Die Gäste:

Pamela Preusche ist Diplomatin und aktuell Europäische Korrespondentin im Auswärtigen Amt in Berlin. In dieser Funktion ist sie zuständig für die Koordination der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU in engem Austausch mit den Europäischen Korrespondent*innen der Außenministerien der anderen 26 Mitgliedstaaten der EU sowie mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst. Zudem beinhaltet ihre Tätigkeit die inhaltliche Vorbereitung der Räte für Auswärtige Beziehungen sowie die Abstimmungen auf Ebene der Politischen Direktor*innen und die Weisungsgebung für diverse Brüsseler Ratsformationen, allen voran das Politische und Sicherheitspolitische Komitee.

Dr. Max Mutschler ist Friedensforscher am Bonn International Center for Conversion. Er beschäftigt sich vor allem mit Rüstungskontrolle, Rüstungsexporten, internationalem Waffenhandel und der Zukunft der Kriegsführung. Er ist Mitautor des Friedensgutachtens und hat mehrere Artikel zu Stabilisierungseinsätzen veröffentlicht.

 

Wir bedanken uns für die Unterstützung, die diese Veranstaltung möglich gemacht hat:

© Engagement Global / Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW / Brot für die Welt