Lokman Slim scheute weder klare Worte noch unbequeme Wahrheiten. Der international bekannte Intellektuelle war eine der prominentesten Figuren der libanesischen Zivilgesellschaft. Am 4. Februar wurde er auf einer Straße im Südlibanon in seinem Wagen tot aufgefunden. Seine Familie hatte ihn am Vorabend als vermisst gemeldet, als Slim, der auf dem Heimweg nach Beirut war, nicht auf Telefonanrufe reagierte. Laut Polizeiangaben wurde er durch mehrere Schüsse in Kopf und Rücken getötet.
Lokman Slim hat sich als Autor, Regisseur und Verleger an gesellschaftliche Tabu-Themen im Libanon herangewagt. Der Sohn einer wohlhabenden schiitischen Familie aus dem Süden Beiruts setzte sich unermüdlich für die Dokumentation des libanesischen Bürgerkriegs ein, der bis heute kaum aufgearbeitet ist. Nach Kriegsende einigten sich die Konfliktparteien auf eine Art kollektive Amnesie, unter deren Oberfläche alte Konflikte jedoch weiter schwelen und neue entstehen. Diesem Mantel des Schweigens setzte Lokman Slim akribische Aufklärung und künstlerische Kreativität entgegen.
Großer Beitrag zur Erinnerungskultur
Gemeinsam mit seiner deutschen Partnerin und Ehefrau Monika Borgmann gründete er 2005 das UMAM-Zentrum für Dokumentation und Forschung. Die zivilgesellschaftliche Initiative hat ein öffentlich zugängliches Archiv aufgebaut, das eine große Sammlung an Büchern, Filmen, Zeitungsausschnitten, Berichten von Zeitzeug*innen, Fotos, wissenschaftlichen Artikeln und anderen Dokumenten zum Bürgerkrieg umfasst. Mit Ausstellungen, Workshops und Filmvorführungen leistet UMAM einen Beitrag zur Erinnerungskultur im Libanon und erinnert an die Schicksale der Menschen, die bis heute vermisst werden.
Mit ihren Filmproduktionen wurden Lokman Slim und Monika Bergmann auch international bekannt. Der Dokumentarfilm „Massaker“ wurde 2005 bei der Berlinale ausgezeichnet. Das Regisseur*innen-Duo thematisiert darin den Massenmord in den palästinensischen Vierteln Sabra und Shatila 1982 während des Bürgerkriegs. Der Film „Tadmor“ von 2016 berichtet vom Schicksal libanesischer Gefangener in einem syrischen Gefängnis, wo die Insassen Willkür und Folter ausgesetzt waren.
Ein schrecklicher Verlust für das Land
Die genauen Umstände der Schüsse auf Lokman Slim sind unklar. In der Vergangenheit wurde er immer wieder beleidigt, diffamiert und mit dem Tod bedroht. Der säkulare Schiit war ein laustarker Kritiker der schiitischen Hisbollah, die als Miliz und Partei über großen Einfluss im Libanon verfügt. Ende 2019 beteiligte Slim sich an den Protesten gegen die politische Führung des Libanon. Gewalttätige Gruppen gingen gegen die Demonstrierenden vor und brannten das Zelt einer geplanten Veranstaltung nieder. Nach der Explosion im Beiruter Hafen äußerte Slim Kritik an mangelnden Reformen im Libanon.
Lokman Slim wurde am 11. Februar beerdigt. Das forumZFD ist geschockt und voller Trauer über den gewaltsamen Tod unseres Freundes und Partners. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Freund*innen und Bekannten. Lokman Slims Tod ist ein schrecklicher Verlust für den Libanon. Seine kritische Stimme und die Zusammenarbeit mit ihm im „Forum for Memory and Future“ wird uns sehr fehlen.