In der Region Caraga ist die Organisation „Panaghiusa Alang sa Kaugalingnan Inc“ (kurz: PASAKK) ein wichtiger Partner des forumZFD bei Projekten der Konflikttransformation. PASAKK kann übersetzt werden mit „Gemeinschaft für Selbstbestimmung und Befreiung“. Die Nichtregierungsorganisation vertritt die Manobo, eine indigene Bevölkerungsgruppe in der Provinz Agusan del Sur auf Mindanao, der zweitgrößten Insel der Philippinen.
Seit einigen Jahren bemüht sich PASAKK darum, inklusiver zu werden. Traditionell wurde die Organisation von älteren Männern geleitet. Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg hin zu mehr Diversität ist die neue Geschlechterparität im Vorstand: Wo früher Männer dominierten, sind mittlerweile beide Geschlechter gleichermaßen vertreten. Als nächstes möchte PASAKK auch junge Menschen stärker in die Gestaltung der Zukunft miteinbeziehen. Dadurch werden partizipative und inklusive Führungsstrukturen innerhalb von PASAKK gestärkt, die es der Organisation dann ermöglichen sich nachhaltiger für die Bedürfnisse und Interessen der indigenen Bevölkerung einzusetzen.
Traditionelle Rollenbilder ändern sich
In patriarchalen Gesellschaften wie dem Stamm der Manobo waren für Frauen und Jugendliche traditionell eher unterstützende Aufgaben vorgesehen. Frauen sollten häusliche Pflichten erfüllen und gute Ehefrauen sein. Gelegentlich wurden sie auch mit Angehörigen eines gegnerischen Stammes verheiratet, um Konflikte zu lösen. Ganz anders die Rolle der Männer: Von ihnen wurde erwartet, dass sie das Handwerk der Jagd beherrschten und im Kampf ausgebildet waren. Wenn sie sich den Respekt der Gemeinschaft verdient hatten, qualifizierte dies die jungen Männer in den Augen des Stammes als potentielle Anführer.
Das Bild eines guten Anführers war damals geprägt von Alter, Erfahrung, Reife und Leistungsfähigkeit. Während sowohl Männer als auch Frauen Landwirtschaft betreiben konnten, waren die Führungspositionen des Stammes der älteren Generation und den Männern vorbehalten. Erst wenn sich die Gesundheit des Anführers verschlechterte, wählte der Ältestenrat einen Nachfolger – wobei die ältesten männlichen Familienmitglieder in der Regel zuerst ins Auge gefasst wurden.
Für jeden potentiellen Nachfolger bedeutete dies, dass er seine Fähigkeit unter Beweis stellen musste, furchtlos für den Schutz des Stammes zu kämpfen. Außerdem musste er Konflikte lösen können und überzeugend argumentieren, um sich die Unterstützung des Stammes zu sichern. Junge Frauen hingegen hatten nur wenig Chancen ein hohes Amt im Stamm zu bekleiden. Nur wenn sie die Heilkunst oder spirituelle Rituale beherrschten, konnten sie „Baylan“, die Stammespriesterin, werden.
PASAKK stellte sich gegen diese traditionellen Rollenbilder, indem sie Frauen Führungspositionen ermöglichten. Bae Becky Barrios, PASAKK´s erste weibliche und am längsten amtierende Generalsekretärin, erzählt gemeinsam mit den anderen weiblichen Vorstandsmitgliedern, wie ihre persönlichen Erfahrungen die gesamte Gemeinschaft verändert haben. Ihr Beispiel habe gezeigt, dass Frauen gute Anführerinnen sein können, so Barrios. Ihr beharrliches Engagement für ein selbstbestimmtes Leben steht im Einklang mit Frauenbewegungen weltweit, die mehr Anerkennung und Repräsentation fordern. PASAKK möchte dieses Engagement von Frauen weiter fördern und insbesondere auch junge Menschen für Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und Mitbestimmung sensibilisieren. Denn es liegt bei diesen jungen Menschen, die Zukunft von PASAKK und der indigenen Bevölkerung insgesamt zu gestalten.
Gemeinschaftssinn statt Profitstreben
Ein junge Frau berichtet, wie fasziniert sie als Kind vom engagierten Einsatz ihrer Eltern für die Organisation war – mit all der Zeit, die dies erfordert und trotz der geringfügigen finanziellen Vergütung. Sie selbst arbeitete eine Zeit lang in einem privaten Unternehmen, das synthetische Landwirtschaftsprodukte verkaufte – ein Wirtschaftsbereich, der dem widersprach, was sie als Kind in der naturverbundenen Stammesgemeinschaft gelernt hatte. Später begann die junge Frau, sich ehrenamtlich bei PASAKK zu engagieren.
Heute meint sie: Kein Geld der Welt könne das Gefühl von Sinnhaftigkeit aufwiegen, das sie angesichts der Erfolge dieser neuen Tätigkeit empfinde – wenn sie zum Beispiel sehe, wie sich die indigene Bevölkerung selbst organisiere, wenn Frauen und Kinder, die Misshandlung erlitten haben, Gerechtigkeit fänden, und wenn neue Generationen von Kindern und Jugendlichen die indigenen Traditionen kennenlernten, die in den staatlichen Schulen nicht unterrichtet würden. Schließlich gab sie ihren Job in der Agrarindustrie endgültig auf. Sie berichtet von ihrer Bewunderung dafür, wie die von PASAKK unterstützten Landwirt*innen über industrielle Massenproduktion und Profit hinausdenken. Anstatt den Boden auszubeuten würden sie synthetische Agrarprodukte vermeiden, da diese negative und irreversible Auswirkungen auf die Verbraucher*innen und die Umwelt hätten.
Viele helfende Hände für PASAKK
Die Werdegänge vieler Kinder von PASAKK´s Mitarbeitenden und Freiwilligen wurden durch das Engagement für die Gemeinschaft geprägt. Eine andere junge Erwachsene erzählt, als Jugendliche habe sie PASAKK als eine Anlaufstelle für Menschen in Not wahrgenommen. Nach ihrem Abschluss in sozialer Arbeit engagiert sie sich heute ehrenamtlich für die Organisation und unterstützt unter anderem die Lokalverwaltung dabei, Misshandlungen gegen Frauen und Kinder vorzubeugen und zu unterbinden.
Auch andere junge Menschen aus dem Stamm, die sich zunächst für eine Laufbahn in der Privatwirtschaft entschieden hatten, engagieren sich heute bei PASAKK. Zum Teil haben sie dafür sogar ihre vorherigen Jobs aufgegeben. Sie widmen sich voll und ganz der Arbeit für die Gemeinschaft und übernehmen zum Beispiel Verwaltungsaufgaben oder das finanzielle Management von PASAKK. Schließlich ist es viel Arbeit, eine so breit aufgestellte gemeinnützige Organisation am Laufen zu halten.
Diese PASAKK-Nachwuchskräfte treibt weder der Wunsch nach einer steile Karriere an noch das geringfügige Honorar, das die Organisation zahlen kann und das manchmal sogar noch aufgeteilt wird, damit auch alle Freiwilligen einen Anteil erhalten. Vielmehr geht es ihnen um den Respekt und die Beziehungen, die durch ihr freiwilliges Engagement entstanden sind und die sie sorgfältig pflegen. Die junge Generation hat erkannt, dass PASAKK ein Ort ist, wo sie Mitglieder einer Gemeinschaft gedeihen würden.
forumZFD unterstützt indigene Bevölkerung
Das forumZFD unterstützt mit seinem Leadership-Empowerment-Projekt (zu Deutsch etwa: „Führungskräfte stärken“) seine Partnerorganisationen in der Region Agusan del Sur dabei, Konflikte innerhalb der Organisationen und in ihrem Umfeld friedlich zu lösen und zu transformieren. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den traditionellen Formen, mit denen in indigenen Gemeinschaften Wissen weitergegeben wird. forumZFD ermutigt PASAKK, die Teilhabe junger Menschen zu stärken und ihnen zum Beispiel zu ermöglichen, als Beobachter*innen an allen Aktivitäten der Erwachsenen teilzunehmen. Mit Unterstützung des forumZFD hat PASAKK vereinbart, dass künftig zu jedem Treffen und zu jeder Mediation ein bis zwei Jugendliche aus den betroffenen Gemeinden eingeladen werden sollen, um die Gespräche zu beobachten und ihre Perspektiven einzubringen. Die Jugendlichen unterstützen die Gesprächsführung und wirken an der Dokumentation und Planung mit.
Die PASAKK-Jugendlichen unterstützen nicht nur die erwachsenen Führungskräfte, sondern führen auch ihre eigenen Aktivitäten durch. Dafür haben sie ihre eigene Jugendorganisation innerhalb von PASAKK gegründet: „Kabataan Pagmata Alang sa Kahiusahan ug Kalambuan“ (KPAKK), was in etwa bedeutet „Jugend wach auf für Zusammenhalt und Entwicklung“. KPAKK organisiert zum Beispiel Sommercamps und andere Veranstaltungen, um die Jugendlichen in Dingen zu unterrichten, die an den staatlichen Schulen kaum behandelt werden, wie etwa Kinderrechte, Rechte des geistigen Eigentums, indigene Traditionen oder Engagement für die Gemeinschaft.
Indigene Selbstverwaltung stärken
Durch die Aktivitäten der KPAKK entsteht ein Verständnis bei den Jugendlichen für Machtstrukturen innerhalb ihrer Gemeinschaften und anderen Faktoren, die eine effektive Vertretung indigener Interessen und Bedürfnisse im Kontext jahrzehntelanger Marginalisierung und Diskriminierung behindern. Die Stärkung der Führungsfähigkeit indigener Jugendlicher trägt nicht nur zu inklusiveren Organisationsstrukturen innerhalb von PASAKK bei, sondern stärkt auch die indigene Selbstverwaltung insgesamt.
Generationenunterschiede und Geschlechterrollen sollten keine Gründe für Ausgrenzung sein. Während die ältere Generation über viel Weisheit und eine genaue Kenntnis der Traditionen und des Gewohnheitsrechts verfügt, bringen die jüngeren Menschen ihre Energie, ihr Potenziale und ihr Kenntnisse neuer Technologien mit. Ein Beispiel: Gerade weil digitale Kommunikation für junge Menschen eine Selbstverständlichkeit ist, war es ihnen besonders wichtig, während der Corona-Pandemie mit dem forumZFD und anderen Organisationen in Kontakt zu bleiben. Die virtuelle Kommunikation ermöglichte es PASAKK, sich weiterhin mit externen Partner*innen auszutauschen und auf dem Laufenden zu bleiben.
All dies zusammen ergibt das Bild einer dynamischen Organisation, die aus der Vergangenheit lernt, die Gegenwart zusammenführt und sich auf die Zukunft vorbereitet.