Rund 70 Personen verfolgten das Gespräch live übers Internet, stellten Fragen und diskutierten mit. Dank der modernen Kommunikationswege war es so trotz der aktuellen Corona-Krise möglich, über friedenspolitische Themen und konkrete Friedensarbeit vor Ort zu sprechen. Die Pandemie war nur am Rande der Diskussion ein Thema, denn es ging vor allem darum, wie die Kriegsvergangenheit die Gesellschaft in Bosnien-Herzegowina bis heute prägt.
Die Aufzeichnung des Online-Gesprächs können Sie hier anschauen:
Im Jahr 2020 jähren sich der Völkermord von Srebrenica (11. Juli) und das Friedensabkommen von Dayton (21. November) zum 25. Mal. Dr. Nicolas Moll, Historiker und Koordinator des Projekts zur europäischen Erinnerungskultur MemoryLab, erklärte im Gespräch, die Erinnerung an den Krieg sei bis heute allgegenwärtig zu spüren: „Es besteht eine extrem große Präsenz verschiedener Erinnerungen. Das hängt damit zusammen, dass der Krieg 1995 nicht mit einem militärischen Sieg oder einer Niederlage beendet wurde, sondern mit einem Kompromissfrieden, bei dem der Staat ethno-territorial aufgeteilt wurde. Dabei wurden drei verschiedene offizielle und institutionelle Narrative geschaffen. Diese stehen sich bis heute gleichermaßen dominant gegenüber und schaukeln sich zum Teil gegenseitig hoch. Und in dieser Situation wird die Kriegserinnerung immer wieder mobilisiert, um die eigene ethno-nationale Identität zu stärken.“
Judith Brand, Landesdirektorin des forumZFD in Bosnien-Herzegowina, berichtete von der konkreten Friedensarbeit vor Ort. Sie betonte: „Wir haben gewissermaßen eine neutrale Rolle, da wir keine Konfliktpartei sind. Wir unterstützen lokale Organisationen und bekommen von vielen Seiten Anfragen für verschiedenste Projekte. Das liegt daran, dass wir als Akteur wahrgenommen werden, dem das Thema Vergangenheitsbewältigung an sich ein Anliegen ist, anstatt dass eine eigene Agenda oder eine eigene Wahrheit dahinterstecken würde.“