„Wir haben wiederholt einen dauerhaften und bedingungslosen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln, einen Stopp der Waffenlieferungen und eine Deeskalation der Spannungen in der Region gefordert, und dennoch scheint die Gewalt immer weiter zuzunehmen“, sagt Christoph Bongard vom forumZFD. „Mit dem heutigen Aufruf appellieren erneut an alle Staats- und Regierungschefs, den UN-Sicherheitsrat und die Akteure vor Ort, dem Schutz von Menschenleben Vorrang vor allem anderen einzuräumen.“
Der Aufruf, den unterschiedlichste Organisationen aus den Bereichen Friedenspolitik, Menschenrechte und Nachhaltigkeit mittragen, sendet einen unmissverständlichen Appell an alle UN-Mitgliedsstaaten, auf einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen, im Libanon, in Israel und in der gesamten Region hinzuwirken. Die terroristischen Angriffe bewaffneter palästinensischer Gruppen am 7. Oktober 2023 haben dem Papier zufolge im Nahen Osten den schrecklichsten Gewaltausbruch seit Jahrzehnten ausgelöst.
Unzählige Aufrufe, die gegenseitige Gewalt und das maßlose Sterben zu beenden, wurden bislang von allen Seiten ignoriert. Die Unterzeichnenden des Aufrufs fordern daher nachdrücklich alle Staats- und Regierungschef*innen, den UN-Sicherheitsrat und die Akteur*innen vor Ort auf, dem Schutz von Menschenleben Vorrang vor allem anderen einzuräumen. Im Einzelnen fordern sie die Sicherstellung eines sofortigen Waffenstillstands durch alle Konfliktparteien und ein Ende der wahllosen Angriffe auf Zivilist*innen und zivile Infrastruktur, den Stopp der Lieferung von Waffen und Munition an alle Konfliktparteien, sowie den ungehinderten humanitären Zugang für lebensrettende Hilfe wie Nahrungsmittel, medizinischer Versorgung und Treibstoff.
Zivilist*innen und Helfende müssen sich ungehindert bewegen können und der Schutz der Zivilbevölkerung vor weiteren Zwangsvertreibungen und das Recht auf Rückkehr für die gewaltsam Vertriebenen müssen gewährleistet werden. Wer bleiben will oder nicht in der Lage ist zu gehen, bleibt durch das Völkerrecht geschützt.
Weiterhin fordern die Organisationen die Freilassung aller Geiseln und Gefangenen und die unverzügliche Einleitung unabhängiger internationaler Untersuchungen aller offensichtlichen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht sowie der von allen Parteien begangenen Kriegsverbrechen. Die unkontrollierte Straflosigkeit der israelischen Regierung im Gazastreifen, im Westjordanland und nun auch im Libanon schaffe gefährliche neue Präzedenzfälle für die Kriegsführung.
Erst letzte Woche kam die UN-Untersuchungskommission zu dem Schluss, dass Israel mit seinen vorsätzlichen Angriffen auf medizinisches Personal und Einrichtungen im Gazastreifen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehe. Sie forderte die Mitgliedsstaaten auf, „die Beihilfe zur Begehung der Verstöße einzustellen“. In den letzten 12 Monaten verabschiedete der UN-Sicherheitsrat vier Resolutionen zu Gaza, in denen u.a. ein Waffenstillstand gefordert wurde. Der Internationale Gerichtshof (IGH) forderte Israel auf, Maßnahmen zu ergreifen, um Handlungen zu verhindern, die in den Anwendungsbereich von Artikel II der Völkermordkonvention fallen. Außerdem stellte der IGH in einem Gutachten fest, dass Israels Besetzung und Annexion palästinensischer Gebiete illegal ist. Die UN-Generalversammlung verabschiedete eine Resolution, in der Israel aufgefordert wird, seine rechtswidrige Präsenz in den besetzten palästinensischen Gebieten innerhalb von 12 Monaten zu beenden. All diese deutlichen Aufforderungen und Einschätzungen benennt das Papier in aller Klarheit und prangert an, dass keine einzige Maßnahme umgesetzt wurde.
Konkret wurden nach UNRWA-Angaben durch Israelische Militäraktionen bereits über 43.000 Palästinenser*innen in den besetzten Gebieten und mehr als 2.000 Menschen im Libanon getötet, rund 90% der Bevölkerung des Gazastreifens und über 800 000 Menschen im Libanon vertrieben und schätzungsweise 400.000 Palästinenser*innen befinden sich ohne Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser, Brennstoff oder medizinischer Versorgung unter Belagerung und unerbittlichem Bombardement im nördlichen Gazastreifen. Über 300 palästinensische und internationale Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen sowie über 1000 Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens im Gazastreifen und 95 im Libanon sind bereits unter den Opfern. Gesundheitsversorgung und humanitäre Unterstützung werden so ebenfalls systematisch außer Kraft gesetzt. Auch die UN-Friedenstruppen im Libanon werden von israelischen Truppen angegriffen (UNIFIL).
Bei den von bewaffneten palästinensischen Gruppen angeführten Angriffen am 7. Oktober 2023 wurden laut OCHA in Israel fast 1.200 Menschen getötet und der Raketenbeschuss durch bewaffnete palästinensische und libanesische Gruppen tötete oder verletzte Amnesty International zufolge Dutzende von Menschen. Über 140.000 Israelis wurden vertrieben und noch immer werden 101 Geiseln von bewaffneten palästinensischen Gruppen festgehalten. Tausende von Palästinenser*innen werden von den israelischen Streitkräften unrechtmäßig in Haftanstalten festgehalten, darunter auch Kinder, von denen viele ihren Aufenthaltsort nicht kennen und praktisch verschwunden sind.
Den vollständigen Aufruf im Englischen Original finden Sie hier auf unserer Website.